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Ludwig

der schönste Täuber im Revier

Tierischer
Schabernack

ein raffinierter Vogel

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei Ludwig um einen veritablen Prachtkerl. Eine Zierde seiner Art. Überdies um ein sehr hartnäckiges Exemplar einer Stadttaube, wenn es eine potenzielle Nahrungsquelle betrifft. Bisweilen zu Fabia Mortis' Leidwesen, hat er sich ausgerechnet das auf ihrem Balkon befindliche und wohlgefüllte (Sing-)Vogelhäuschen zum Objekt seiner Begierde erwählt.

Ludwig hat sich im Lauf der Zeit als vollends beratungsresistent gegenüber sämtlichen Taubenvergrämungsmaßnahmen, außerordentlich trickreich sowie extrem robust erwiesen. Manchmal könnte sie beschwören, dass der tückische Vogel sogar ein ausgesprochenes Vergnügen daran hegt, sämtliche gegen ihn gerichtete Abwehraktivitäten zu umgehen. Zugegeben, dies beruht auf Wechselseitigkeit. Denn wer sollte schon einem derart charmanten und außerordentlich hübsch gefärbten Burschen widerstehen? Selbst wenn er nicht stubenrein ist.

Natürlich achtet Fabia Mortis akribisch darauf, Ludwig bei den täglichen Scharmützeln keinerlei Leid anzutun. Davon abgesehen ist jedes Mittel recht – Ärgern ist schließlich erlaubt!

Ludwigs
Geschichte

vergnüglich und schmackhaft

Grüß Gott und Servus allerseits! Habe die Ehre!

Ich bin der Ludwig. Der unangefochten schönste Täuber im Revier! Mein grau changierendes Federkleid schimmert im Sonnenlicht geheimnisvoll und dunkelblau wie ein unendlich tiefer, rätselhafter Ozean. Die Taubendamen erliegen reihenweise meinem natürlichen Charme! Wen wundert’s? Schließlich bin ich weit und breit der allerprächtigste Vogel! Und ebendieser lebt in einer gutbürgerlichen, bayerischen Gemeinde mit vielen Gärten, Parks, Waldgebieten – und liebevoll bepflanzten Balkonen. Mit verschwenderisch befüllten Futterhäuschen. Und auch sonst allem, was so ein außerordentlich hübsch gefärbter Bursche für sein tägliches Wohlbefinden benötigt.

Mein Lieblingsschlafplatz befindet sich in einem hochgewachsenen, altehrwürdigen Lärchenbaum, der standhaft jedem Wind und Wetter trotzt. Wenn es dunkel wird, kuschle ich mich mit meinem kleinen Schwarm von Artgenossen in die Geborgenheit der dichten Nadelzweige. Es ist ein wunderbar warmes Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit. Vor allem während der kalten Jahreszeit. Wenn die Nacht viel zu früh hereinbricht. Mitsamt der unheimlichen Geräusche und unbekannten Gefahren, welche der Finsternis nun einmal zu Eigen sind. Insbesondere die unsäglich nervenzerfetzenden Rufe des hiesigen Sperbers können einen schlaftrunkenen Vogel mitunter psychisch richtiggehend zermürben!

Doch am Morgen sind die Schatten der Nacht schnell vergessen. Im Schwarm geht es zu den gepflegten Rasenflächen inmitten von adretten Wohnanlagen. Es wird eifrig nach Sämereien gesucht und gepickt. Zuweilen steigt ein flirtendes Ruhgu Gugu in die kalte Herbstluft. Ich schiele kurz zu Mirabella, einer ausnehmend anziehenden Stadttaubendame, die ihre graugefärbten Schwingen so schön und effektvoll zu präsentieren weiß wie keine Andere. Nach einigem Zögern entscheide ich mich schließlich für einen Abstecher zu dem schmucken Südbalkon direkt am Park, der vis-à-vis meines Lärchenschlafbaums gelegen ist.

Geschickt verberge ich mich hinter einem novembergelben Nadelzweig und ducke mich in Deckung, als die hinreichend bekannte und bei allen anständigen Vögeln sehr unbeliebte Saatkrähen-Jugendgang haarscharf an mir vorbeifliegt. Diese lautstarken Rabauken mag ich überhaupt nicht leiden! Zwar fühle ich mich einigermaßen auf der sicheren Seite, weil der wortkarge, misanthrope, frühverrentete Humanoidengrantler aus Haus Nr. 181 an jedem einzelnen Morgen alte Semmeln in hungrig aufgesperrte Krähenschnäbel wirft und die frechen Biester hinreichend satt sind. Ihr provokantes Anfliegen ist somit lediglich eine Halbstarken-Drohgebärde. Trotzdem: Vorsicht ist bekanntermaßen die Mutter der Porzellankiste! Denn ich habe ein wesentlich lohnenderes Ziel haarscharf im Visier!

Namentlich ein ebenso verführerisches wie wohl bestücktes und schmuckes Holzvogelhäuschen, das tagtäglich penibel gereinigt und regelmäßig mit Erdnüssen und feinsten Leckerbissen wie Hanf, Haferflocken, zuvorkommenderweise bereits geschälten (!) Sonnenblumenkernen und allerlei anderen Delikatessen aufgefüllt wird. Es ist ein wahres Singvogelparadies, in dessen Umfeld reger Flugbetrieb herrscht. Dort treibt sich von der Meisen Haute-Volée (ob schwarz- oder blaubeschopft), über Kleiber und Finken bis hin zu Grün- und Buntspecht die allseits bekannte und überaus verfressene Nachbarschaft herum.

Das verlockende Futterdomizil beherbergt neuerdings in der Mitte ein wetterfestes Silo. So bleiben die Köstlichkeiten darin stets frisch und hygienisch rein. Das Prinzip ist gut durchdacht und professionell realisiert. Übrigens ein Umstand, welcher als Angehöriger der gefiederten Zielgruppe meinen uneingeschränkten Beifall findet. Allerdings hat die Angelegenheit einen sehr unschönen Haken: Das Vogelhäuschen scheint absolut taubensicher! Meine gurrende Anwesenheit ist auf dem Balkon, der von insektenfreundlichen Pflanzen regelrecht überwuchert ist, sichtlich unerwünscht! Zunächst weigerte ich mich, an eine bewusste Absicht hinter all diesen Vorgängen zu glauben. Doch mittlerweile fühle ich mich aufgrund meiner ornithologischen Artenzugehörigkeit ethnisch diskriminiert! Ernsthaft! Und das in der heutigen, ach so toleranten Zeit! Da bleibt sogar einem gestandenen Taubencasanova wie mir fassungslos der wohlgeformte Schnabel offenstehen! Tatsächlich werde ich von manchen Menschen inzwischen gar als ausgewiesener Problemtäuber bezeichnet. Eigentlich hat doch aber alles ganz harmlos angefangen!

Soweit es meinem semi-zuverlässigen Taubenkurzzeitgedächtnis noch erinnerlich ist, muss es wohl zum schwülheißen Augustende im Jahr gewesen sein, als ich mit meinem Schwarm aus der benzingeschwängerten Großstadtluft in dieses ländliche Idyll umgesiedelt bin. Seither halten wir uns gerne im südlichen Teil der Ortschaft auf, in einem Park mit hohen Waldbäumen. Schon nach kurzer Zeit stach mir dort während eines Erkundungsfluges ein heimeliger Balkon ins wachsame Auge, auf dem emsige Vogelaktivität herrschte. Aus gutem Grund wie ich bei näherem Hinsehen entzückt von meinem Beobachtungsposten im künftigen Lärchenschlafbaum aus feststellen durfte. Vom sanften Spätsommerwind angestupst, schaukelte besagtes Vogelhäuschen auf äußerst aufreizende Art und Weise hin und her.

Täuber sind für gewöhnlich weder scheu noch schüchtern. Daher landete ich selbstbewusst auf dem Balkongeländer, um mir diese potenzielle neue Nahrungsquelle aus der Nähe anzusehen. Natürlich hatte mein hinreichend geschulter Blick sofort bemerkt, dass die zugehörige Balkontür ordentlich verschlossen war und somit keinerlei Gefahr eines unerwünschten Menschenkontakts drohte! Ein beherzter Sprung – kein Problem für meine muskulös geformten Täuberkeulen! – und schon hatte ich mich in den für meine stattliche Größe doch recht knapp bemessenen Futterplatz gezwängt. Eins kann ich Euch jedenfalls zwitschern: Die Menschen, die das Ding befüllt hatten, wissen definitiv, was ein Vogelherz bzw. -magen begehrt! Kurzum: Ich habe mich nach Herzenslust pappsatt gefressen. Und anschließend habe ich das getan, was Tauben nun gerne einmal tun und die humanoiden Futterlieferanten gemeinhin wohl nicht besonders schätzen. Aber ich möchte doch um etwas Verständnis für meine Natur bitten. Schließlich musste ich in weiser Voraussicht schon für die nächste Mahlzeit Platz in meinem unruhigen Gedärm schaffen! Es war mir sozusagen ein dringendes Bedürfnis!

Gesättigt speicherte ich diesen schmackhaften Ort als ständige Nahrungsquelle im Gedächtnis ab und suchte mir von da an einen kuscheligen Schlafplatz im Lärchenbaum direkt gegenüber. Zufrieden mit diesem praktischen Arrangement schlief ich in jener Nacht tief, traumlos und vollkommen sperberunbehelligt.

Beim nächsten Anflug wurde ich von einer menschenursächlichen Überraschung erwartet, die mich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich tangierte. Inmitten des Vogelhäuschens prangte ein todschickes, neues Futtersilo. Was bei mir auf erfreute Zustimmung traf, da ich gemeinhin eher ungern durch mein Essen wate bzw. darin herumstehe. Nachdem ich in der Vergangenheit bereits hinreichende Erfahrung mit diesen Apparaturen gesammelt hatte, räuberte ich den großzügigen Körnervorrat in gewohnter Weise routiniert und ungeniert aus. Die Kohlmeisen, die mich ebenso hungrig wie misstrauisch aus sicherer Entfernung bei meiner frugalen Mahlzeit beäugten, machten ohnehin einen viel zu wohlgenährten Eindruck! Übersättigt und adipös würden es wohl besser treffen! Natürlich hinterließ ich auf dem hochglanzpolierten Metallgeländer in gewohnter Manier meine ureigenste Erkennungsmarke.

Der folgende Besuch erwies sich schon als etwas kniffliger. Eine ungute Ahnung machte sich in mir breit, als ich feststellte, dass nunmehr rundherum um die Eingänge des Futterplatzes eine dicke Jutekordel gespannt war. Zugegebenermaßen ein recht kläglicher Versuch, unerwünschte, geflügelte Besucher fernzuhalten! Manche Menschen wissen scheinbar nicht, wie gelenkig ein gewitzter und vor allem hungriger Täuber ist! Same procedure as last time! Frei nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Tja, am Morgen darauf fand ich das Geländer allerdings sehr verändert vor. Spitze Plastikstacheln prangten in dichtgedrängten Reihen vor dem Häuschen. Ich besah mir die Chose zunächst sehr gründlich aus allen Perspektiven und setzte nach einigem Überlegen zum eleganten Finalsprung in das Innere an. Geschafft! Schon streckte ich den Hals in Richtung Körner, als mich plötzlich die volle Breitseite eines konzentrierten Strahls aus einem bedrohlich bunten Plastikwassergewehr traf. Im Eifer des Gefechts hatte ich beim Anflug übersehen, dass die Balkontür einen Spalt weit offen stand! Die menschliche Rasse erweist sich bisweilen als außerordentlich hinterhältig und durchtrieben! Allerdings nützt selbst das treffsicherste Wassergewehr nicht viel, wenn der Balkon über lange Stunden hinweg unbewacht bleibt. Eins zu null für den Problemtäuber!

So vergingen die Wochen und wurden zu Monaten. Kurzweilig und sehr schmackhaft. Irgendwann fasste ich mir schließlich ein Herz und umgurrte im Schutz des dichtbenadelten Lärchenbaums die hinreißende Mirabella. Natürlich erhörte sie mein beharrliches Werben. Fortan besuchten wir das im Herbstwind schaukelnde Fünf-Sterne-Restaurant gemeinsam.

Bis zu jenem Schicksalstag. An einem taubengrauen und neblig-kalten Samstag im November. Ich war allein. Mirabella stattete ihrer zahlreichen Verwandtschaft einen Besuch ab, als ich eine außerordentliche seltsame, wiederum menschengemachte Installation auf dem Balkongeländer vor meiner Lieblingsfutterstelle entdeckte. Eine heimtückisch aussehende, metallene Spiralen-Konstruktion schirmte meinen bevorzugten Speiseplatz vorsätzlich sprung- und taubensicher ab. Zwar konnte ich nach wie vor mit einem geschickten Flugmanöver auf dem Dach des Vogelhäuschens landen. Doch habe ich (bisher) noch keinen Weg gefunden, kopfüber hinein zu gelangen.

Als ich ratlos unter dem wolkenverhangenen Novemberhimmel saß und angestrengt nach einer Lösung aus diesem furchtbaren Dilemma suchte, ertönte aus der zu dem Balkon gehörigen Wohnung heraus ein anhaltendes und aggressives Klopfen (wiederum menschenursächlich!) von innen gegen die Fensterscheibe. Solcherart vertrieben begab ich mich notgedrungen zurück in den Schutz und die Sicherheit meiner mächtigen Schlaflärche.

Doch nicht genug mit dieser außerordentlichen Pechsträhne! Just in dem Augenblick, als ich im Angesicht der höchst ungerechten Täuberdiskriminierung frustriert und neiderfüllt von meinem Ast aus beobachten musste, wie Kohlmeisen und Kleiber sich an meinen Leckereien gütlich taten, öffnete der unwirtliche Herbsthimmel sämtliche Schleusen und badete mein stolzes, dunkelblaues Gefieder in einen frostigen Graupelschauer! Brr! Bevor ich mich auf die Suche nach der reizenden Mirabella machte und mir von ihr mein arg gesträubtes Federkleid glätten ließe, musste ich mich erst wieder in einen halbwegs präsentablen Zustand versetzen! Sonst zeigte sie mir zu allem Überfluss noch die eiskalte Taubendamenschulter! Angelegentlich ähnelte ich vielmehr einem begossenen Pudel als einem ausgewiesenen Pfauentäuber!

Doch noch ist nicht aller Tage Abend, die letzte Nuss nicht gepickt und das abschließende Wort nicht gesprochen!

Ich bin Ludwig. Ein Prachtvogel, Problemtäuber und Voglhäuslräuber.

Aufgeben ist niemals eine Option. Ich komme wieder, und dann kacke ich Euch ordentlich aufs Balkongeländer!

Versprochen! Großes Täuberehrenwort!

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